Sehr geehrter Herr Huber, herzlichen Dank für Ihre E-Mail und Ihr Interesse an unseren politischen Positionen. Ihre Fragen zu medienpolitischen beantworte ich gerne.
1. Die von der Koalition beschlossene Änderung des Telemediengesetzes, die die Zugangsprovider dazu verpflichtet, Internetseiten nach Vorgabe einer Sperrliste des Bundeskriminalamts durch Umleitung auf eine Stopp-Seite zu sperren, lehnt die FDP-Bundestagsfraktion ab. Das Internet ist auch für uns kein rechtsfreier Raum. Straftaten, die im oder mittels des Internets begangen werden, müssen konsequent verfolgt werden, derartige Maßnahmen müssen sich allerdings an den geltenden rechtsstaatlichen Vorgaben messen lassen. Schon die Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Bereich der Gefahrenabwehr bei der Verbreitung von Kinderpornographie ist zweifelhaft. Gefahrenabwehr obliegt den Ländern, die in diesem Bereich hervorragende Arbeit leisten. Auch die Regulierung von Medieninhalten liegt in der Zuständigkeit der Länder (der Bund ist nur für die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen von Telemedien zuständig). Insoweit stellt sich die Frage, ob das Gesetz überhaupt verfassungsgemäß ist. Erste Klagen sind mittlerweile schon angekündigt. Es stellen sich darüber hinaus verfassungsrechtliche Fragen hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit der beschlossenen Maßnahmen. Wie die Koalitionsparteien selbst einräumen, können von den Sperrungen auch legale Internetseiten erfasst werden, ohne dass ein eigenes Berufungsverfahren oder Widerspruchsverfahren vorgesehen wäre. Mit den Sperrungen durch die Manipulation in den sog. Domain-Name-Servern (DNS), die dazu dienen, eine vom Nutzer eingegebene Internetadresse in die zugehörigen numerischen IP-Adressen aufzulösen, bleiben die gesperrten Seiten übrigens nach wie vor zugänglich, wenn z.B. ein anderer DNS verwendet oder aber die IP-Adresse direkt eingegeben wird. Auch wenn die Umgehbarkeit die Geeignetheit nicht grundsätzlich in Abrede stellt, muss jedoch bedacht werden, dass die Nutzung anderer DNS, z.B. einer Universität, Gang und Gäbe ist und somit eine nicht unerhebliche Zahl der Nutzer gar nicht erfasst wird. Ebenfalls nicht erfasst werden sog. Peer-to-Peer-Netzwerke, da diese nicht in den Domain-Name-Servern verzeichnet sind. Insoweit wird ein für die Begehung von Straftaten im Bereich der Kinderpornographie wesentlicher Verbreitungsweg schon von vornherein nicht erfasst. Schließlich wechseln die Server nach Angabe des BKA häufig, teilweise nach nur wenigen Stunden. Sperrlisten, die binnen sechs Stunden wirksam werden müssen, verfehlen dann aber ihr Ziel. Betroffen von der Sperrung von Internetseiten sind die Telekommunikationsfreiheit, die Informations- und Meinungsfreiheit sowie die allgemeine Handlungsfreiheit. Selbstverständlich schützen die Grundrechte nicht rechtswidriges Verhalten, doch das Verbreiten, das Sich-Beschaffen wie auch schon der Besitz von Kinderpornographie sind bereits strafbar. Dem von der Koalition novellierten Telemediengesetz fehlen Vorgaben für ein rechtsstaatliches Verfahren oder für klare Haftungsregelungen der Provider. Wie Sie zudem richtig bemerkt haben, kann man davon ausgehen, dass derartige Sperren und Verbote auch auf weitere Inhalte ausgeweitet werden. Aus unserer Sicht ist die konsequente Verfolgung von Kindesmissbrauch und Kinderpornographie nötig. Die Arbeit der Ermittlungsbehörden in Bund und Ländern müssen intensiviert werden. Dazu ist für ausreichende personelle und sachliche Mittel, gerade bei der IT-Ausstattung, bei Polizei und Staatsanwaltschaften, zu sorgen. Zudem muss die Prävention des Kindesmissbrauchs verbessert werden. Hier sind Eltern, Schulen, Kindergärten, Ärzte und Jugendämter ebenso gefordert wie die Gesellschaft insgesamt. Eine Kultur des Wegschauens darf es nicht geben, sondern jeder, der Hinweise auf Kindesmissbrauch hat, muss ermutigt werden, dies auch regelmäßig zur Anzeige zu bringen. 2. Reflexartige Verbotsforderungen sogenannter „Killerspiele“, welche regelmäßig an Gewicht gewinnen sobald eine durch jugendliche Täter verübte Gewalttat bekannt wird, erhöhen keinesfalls das Schutzniveau des Jugendmedienschutzes. Ein wissenschaftlicher Wirkungsnachweis zwischen dem Spielen von so genannten Killerspielen und den Bluttaten Jugendlicher konnte bisher nicht belegt werden. Computerspiele werden von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien dann indiziert, wenn z.B. Gewaltanwendung gegen Menschen oder menschähnliche Wesen dominierende Spielhandlung ist, Gewalttaten gegen dieselben deutlich visualisiert, akustisch untermalt oder ästhetisiert werden, wenn sie zynisch oder vermeintlich komisch kommentiert oder mit Punktegewinn etc. „belohnt“ werden. Des weiteren werden zum Rassenhass anreizende, die NS-Ideologie und den Holocaust verherrlichende bzw. leugnende, Menschen diskriminierende und abwertende sowie den Drogenkonsum verherrlichende und verharmlosende Inhalte indiziert. Da bereits § 131 des Strafgesetzbuches die Menschenwürde schützt und grausame Gewalt gegen Menschen und menschenähnliche Wesen nicht dargestellt werden darf, bedarf es aus unserer Sicht keiner neuen Verbotsnormen. Da Computerspiele ohnehin schon zur Alltagskultur gehören, sollte sich die Gesellschaft eine differenzierte Betrachtung der Genres und Inhalte wie bei Filmen aneignen. Die Kompetenz dazu sollte nicht nur unter Kindern und Jugendlichen verbreitet werden, sondern auch in der Eltern- oder gar Großelterngeneration. Der Jugendmedienschutz in Deutschland wird ob seiner Strenge und Effektivität weltweit als Vorbild angesehen. Die bestehende Gesetzlage - im Bezug auf strafrechtliche Verfolgung des Missbrauchs der neuen Medien - ist aus unserer Sicht ausreichend. Eine totale Regulierung des Marktes ist nicht durchzuführen, da viele Spiele im Internet gespielt oder heruntergeladen werden. 3. Das deutsche Waffenrecht ist bereits jetzt eines der strengsten der Welt. Leider hat auch ein solch strenges Waffenrecht den Amoklauf von Winnenden oder den Vierfachmord von Eislingen nicht verhindert. Kein Gesetz kann schützen, wenn Sorgfallspflichten (Verschließung von Waffen und Munition) nicht beachtet werden. Über das absurde Verbot von Paintball hinaus wurde von verschiedener Seite sogar ein Totalverbot privater Schusswaffen gefordert. Die FDP lehnt einen Generalverdacht und eine Vorverurteilung aller legalen Waffenbesitzer entschieden ab. Das Beispiel aus Großbritannien, wo 1997 nach einem Amoklauf eines 43jährigen in Dunblane alle Handfeuerwaffen in Privatbesitz verboten wurden zeigt, dass damit die Schusswaffenkriminalität nicht nachhaltig eingedämmt werden konnte. Wer ein generelles Verbot von Waffen in Privatbesitz fordert, sollte klar sagen: Dann kann es keinen Schützenverein, keine Sammler historischer Waffen und keinen Jäger mehr geben. Ob diese Zerstörung des Vereinslebens einen Sicherheitsgewinn bedeutet, das darf wohl bezweifelt werden. Der entscheidende waffenrechtliche Ansatz zur Erhöhung der öffentlichen Sicherheit ist aus Sicht der FDP die Beseitigung der Vollzugsdefizite. Bisher wird der Antrag auf Waffenbesitzkarte überwiegend anhand schriftlicher Dokumente geprüft. Wir fordern die Überprüfung der ordnungsgemäßen Lagerung von Waffen vor Ort – unter Wahrung von Artikel 13 GG (Unverletzlichkeit der Wohnung). Das bedarf einer personell und ggf. materiell besseren Ausstattung der Polizeibehörden. Die FDP Fraktion fordert mehr Unterstützung der Exekutivkräfte in ihrem Kampf gegen das Verbrechen im Internetbereich und intensivere Einbindung der Schulen, Kindergärten oder Jugendämter in den Jugendschutz und wirksame Durchsetzung der bestehenden waffenrechtlichen Vorschriften. Besonders im Bezug auf den Jugendmedienschutz müssen aber vor allem die Eltern ihre Rolle stärker wahrnehmen, mit ihren Kindern Medien- und Internetinhalte besprechen und sicheren Umgang ihrer Kinder mit neuen Medien fördern. Mit freundlichen Grüßen XXX
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