Kurzfristig hatte ich überlegt eine
Top 10 der besten Bosskämpfe zu schreiben, aber solche Listen gibt
es sicher wie Sand am Meer und Psycho Mantis steht eh überall unter
den besten 3. Stattdessen möchte ich mal das Scheinwerferlicht auf
einen ganz bestimmten Videospielschurken lenken. Der untote Pirat
LeChuck aus der Monkey Island-Reihe ist schon ziemlich lange
unterwegs und ein tolles Beispiel für einen vielschichtigen und toll
genutzten Schurken.
In jedem Spiel der Reihe ist LeChuck
entweder der direkte oder indirekte Auslöser der Handlung: In The
Secret of Monkey Island terrorisiert er als Geisterpirat die Karibik
und entführt Elaine Marley, wodurch der junge Piratenanwärter
Guybrush aufbricht sie zu retten. Durch Zwischensequenzen lernt der
Spieler LeChuck kennen, wir erfahren, dasss er durch die Karibik
segelt und Schiffe versenkt um die Opfer zum Teil seiner untoten Crew
zu machen. Das Konzept der piratischen Zwangsrekrutierung mit einem
übernatürlichem Twist. Gleichzeitig ist er auch hoffnungslos
verliebt in Gouverneurin Elaine Marley und versucht, getarnt als der
Sheriff Fester Shinetop, ihr den Hof zu machen. Auch wenn seine Liebe
unerwidert bleibt haben wir so einen Schurken der mehr als einfach
nur böse ist und eine Motivation jenseits von Mord und Totschlag
hat.
Ebenfalls interessant ist, dass es bis
zu großen Finale keine direkte Konfrontation zwischen dem Helden
Guybrush und dem Schurken LeChuck gibt. Zumindest keines, in dem
beide wissen was auf dem Spiel steht. „Aus dem Weg, Fester“,
sagt Guybrush noch abfällig nach der Schlägerei im Anwesen des Gouverneurs, ohne zu wissen, dass der Sheriff in
Wirklichkeit der gefürchtete untote Seeräuber ist und auch LeChuck
ist nicht bewusst, dass er in diesem Moment seinem künftigem
Erzfeind gegenüber steht.
Der erste Kampf gegen LeChuck basiert
auf einer Methode, die in späteren Spielen immer wieder zum Einsatz
kommt. Guybrush ist zwar ein Pirat, aber er besiegt LeChuck nicht
etwa in einem dramatischem Fechtduell oder einer epischen
Seeschlacht, sondern durch die rasante Anwendung von Hirnschmalz.
LeChuck prügelt Guybrush auf sehr comichafte Art und Weise über die
ganze Insel bis er irgendwann im kaputten Grogautomaten in Stans
Gebrauchtschiffhandel landet. Wir erinnern uns an die
Geister-vernichtende Geheimwaffe, die wir von den vegetarischen
Kannibalen von Monkey Island bekommen haben: ein mysteriöses
Wurzelgebräu. Bevor LeChucks Geisterkinnhaken erneut zum Einsatz
kommt bespritzen wir ihn mit einer Flasche Malzbier. Der Trick funktionert,
LeChuck explodiert und Elaine und Guybrush genießen das Feuerwerk.
Trotz seines komischen Abgangs ist LeChuck keine Parodie oder Witzfigur wie Dr. Nefarious oder Bowser. Im Secret wird LeChuck von Anfang an als kaltblütiger Killer etabliert und es gibt quasi keine Witze auf seine Kosten.
Er ist ein ernstzunehmender Schurke in einem witzigen Szenario. Und im nächsten Teil sollten sich beide Elemente nochmal so richtig steigern.
In den ersten Minuten von Monkey Island
2: LeChucks Revenge ist Guybrush ein gemachter Mann. Er ist stinkreich, quasi-berühmt
und auf dem Weg den größten Schatz aller Zeiten zu finden: Big
Whoop. Doch durch einen Faux Pax seinerseits kann LeChuck
wiederbelebt werden. Nur ist er jetzt kein Geist mehr, sondern ein
verrottender Leichnam der nur eines im Sinn hat: Rache an Guybrush
Threepwood. Wie auch im ersten Teil bekommen wir
LeChuck lange nur in „Währenddessen...“-Zwischensequenzen zu
sehen.
Auch wenn MI2 erneut ein sehr witziges
Spiel ist, so schwebt LeChuck doch immer als dunkler Schatten über
den Eskapaden des Spielers. Wir erleben mehrmals, dass Guybrush, der
sich zu Anfang noch als todesmutiger Draufgänger darstellt, panische
Angst vor LeChuck hat. Einmal macht er sich fast in die Hose, als ihn
jemand in einem Geisterpiratenkostüm überrascht.
Ein andermal
begegnet er LeChuck in einem Alptraum.
Die fröhliche Melodie des Knochensongs
wandelt sich in Sekundenschnelle zu einer bedrohlichen Version von
LeChucks Thema, die Skelette fliehen und LeChuck steht kurz davor Guybrush auszulöschen. Es ist eine großartige Szene, die im Original viel besser rüberkommt als im Remake.
In Akt 3 stehen sich Guybrush und
LeChuck endlich wieder Auge in Auge gegenüber. Und wie es so üblich ist, werden dem Spieler mehrere Möglichkeiten geboten, welchen bissigen Kommentar Guybrush seinem Nemesis ins Gesicht wirft. Aber egal was ihr wählt, er bekommt nichts über die Lippen. Guybrush macht sich fast in die Hose und das zurecht.
Monkey Island 2 ist trotz des höheren
Witzeanteils ein düsteres Spiel. Tod ist ein Leitmotiv der
Geschichte, Guybrush wandert über Friedhöfe, besucht ein
Bestattungsinsitut und untersucht ein Schiffswrack am Grund des
Meeres. Mehr als in Monkey Island 3, in dem die Voodoo Lady vorraussagt, dass Guybrush auf Blood Island sterben wird, scheint ein graußamer Tod durch die
Hände von LeChuck hier unabwendbar.
Schließlich kommt es zum großen
Finale in den Tunneln unter Dinky Island. Lassen wir den Twist am
Ende von ME2 einmal außer Acht, immerhin wurde er zu Beginn des 3.
Teils ge-retconned.
An diesem Punkt ist Guybrush echt am Arsch.
LeChuck droht ihn mit einer speziell angefertigten Voodoo-Puppe in
eine Dimension ewiger Qualen zu verbannen und Guybrush windet sich
vor Schmerzen wenn die Puppe benutzt wird. LeChuck dagegen genießt
diesen Folterakt deutlich.
Sein sadistisches Grinsen und Guybrushs
schmerzverzerrtes Gesicht war auch in den dicken Pixeln von 1991
deutlich erkennbar und ich finde die Szene im Original sogar
eindrucksvoller als im Remake.
Erneut gibt es keinen wirklichen Kampf
gegen LeChuck, es ist mehr eine Flucht. Ihr hetzt durch die
unterirdischen Tunnel und habt immer nur wenige Minuten einen Raum zu
durchsuchen und euch eine Lösung für ein Problem einfallen zu
lassen, denn jeden Moment kann LeChuck herein kommen und euch das
Leben zur Hölle machen. Monkey Island war keines der Point &
Click Adventures in denen man sterben konnte, aber das verringert die
Bedrohung durch LeChuck keineswegs. Unnerbitterlich verfolgt er euch,
während Guybrush hektisch versucht eine Voodoopuppe zusammen zu
schustern. Diese Szene funktioniert auch heute noch großartig. Trotz
seines schlurfenden Gangs könnt ihr LeChuck nicht entkommen. Der
Zombiepirat ist der personifizierte Tod.
Gleichzeitig gibt es hier aber auch
einige großartige Comedy-Momente. Guybrush reisst LeChuck die
Unterhose aus, klemmt seinen Bart in einem Fahrstuhl ein und nimmt
voll Ekel ein von ihm vollgerotztes Taschentuch. Monkey Island ist
immer noch primär Comedy, aber trotzdem verliert LeChuck dadurch
nicht an Bedrohlichkeit.
Das Szenario ist spannend, der Schurke
bedrohlich, die Lösung clever und fordernd, weil ihr in jedem Raum
unter Zeitdruck steht und dennoch hält das Spiel an seinen Stärken
fest. Letztlich ist es ein unheimlich befriedigender Moment, wenn ihr
den Spieß umdreht und LeChuck mit einer Voodoopuppe, gemacht aus den
Teilen die ihr ihm direkt entrissen habt, besiegt.
So viel zu LeChuck in Monkey Island
1&2. Man kann noch deutlich mehr über ihn schreiben, aber das hebe ich
mir für das nächste mal auf. Und falls ihr noch einen besseren Namen für eine regelmäßige Kolumenreihe über Schurken habt, lasst es mich wissen. ;)
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