Freitag, 3. Juli 2009

Statement von der FDP

Die Antwort war ja im Prinzip zu erwarten, ich poste es trotzdem mal:



Sehr geehrter Herr Huber,

herzlichen Dank für Ihre E-Mail und Ihr Interesse an unseren politischen
Positionen. Ihre Fragen zu medienpolitischen beantworte ich gerne.

1. Die von der Koalition beschlossene Änderung des Telemediengesetzes, die
die Zugangsprovider dazu verpflichtet, Internetseiten nach Vorgabe einer
Sperrliste des Bundeskriminalamts durch Umleitung auf eine Stopp-Seite zu
sperren, lehnt die FDP-Bundestagsfraktion ab.

Das Internet ist auch für uns kein rechtsfreier Raum. Straftaten, die im
oder mittels des Internets begangen werden, müssen konsequent verfolgt
werden, derartige Maßnahmen müssen sich allerdings an den geltenden
rechtsstaatlichen Vorgaben messen lassen.

Schon die Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Bereich der Gefahrenabwehr
bei der Verbreitung von Kinderpornographie ist zweifelhaft. Gefahrenabwehr
obliegt den Ländern, die in diesem Bereich hervorragende Arbeit leisten.
Auch die Regulierung von Medieninhalten liegt in der Zuständigkeit der
Länder (der Bund ist nur für die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen von
Telemedien zuständig). Insoweit stellt sich die Frage, ob das Gesetz
überhaupt verfassungsgemäß ist. Erste Klagen sind mittlerweile schon
angekündigt.

Es stellen sich darüber hinaus verfassungsrechtliche Fragen hinsichtlich der
Verhältnismäßigkeit der beschlossenen Maßnahmen. Wie die Koalitionsparteien
selbst einräumen, können von den Sperrungen auch legale Internetseiten
erfasst werden, ohne dass ein eigenes Berufungsverfahren oder
Widerspruchsverfahren vorgesehen wäre.

Mit den Sperrungen durch die Manipulation in den sog. Domain-Name-Servern
(DNS), die dazu dienen, eine vom Nutzer eingegebene Internetadresse in die
zugehörigen numerischen IP-Adressen aufzulösen, bleiben die gesperrten
Seiten übrigens nach wie vor zugänglich, wenn z.B. ein anderer DNS verwendet
oder aber die IP-Adresse direkt eingegeben wird. Auch wenn die Umgehbarkeit
die Geeignetheit nicht grundsätzlich in Abrede stellt, muss jedoch bedacht
werden, dass die Nutzung anderer DNS, z.B. einer Universität, Gang und Gäbe
ist und somit eine nicht unerhebliche Zahl der Nutzer gar nicht erfasst
wird. Ebenfalls nicht erfasst werden sog. Peer-to-Peer-Netzwerke, da diese
nicht in den Domain-Name-Servern verzeichnet sind. Insoweit wird ein für die
Begehung von Straftaten im Bereich der Kinderpornographie wesentlicher
Verbreitungsweg schon von vornherein nicht erfasst. Schließlich wechseln die
Server nach Angabe des BKA häufig, teilweise nach nur wenigen Stunden.
Sperrlisten, die binnen sechs Stunden wirksam werden müssen, verfehlen dann
aber ihr Ziel.

Betroffen von der Sperrung von Internetseiten sind die
Telekommunikationsfreiheit, die Informations- und Meinungsfreiheit sowie die
allgemeine Handlungsfreiheit. Selbstverständlich schützen die Grundrechte
nicht rechtswidriges Verhalten, doch das Verbreiten, das Sich-Beschaffen wie
auch schon der Besitz von Kinderpornographie sind bereits strafbar.

Dem von der Koalition novellierten Telemediengesetz fehlen Vorgaben für ein
rechtsstaatliches Verfahren oder für klare Haftungsregelungen der Provider.
Wie Sie zudem richtig bemerkt haben, kann man davon ausgehen, dass derartige
Sperren und Verbote auch auf weitere Inhalte ausgeweitet werden.

Aus unserer Sicht ist die konsequente Verfolgung von Kindesmissbrauch und
Kinderpornographie nötig. Die Arbeit der Ermittlungsbehörden in Bund und
Ländern müssen intensiviert werden. Dazu ist für ausreichende personelle und
sachliche Mittel, gerade bei der IT-Ausstattung, bei Polizei und
Staatsanwaltschaften, zu sorgen. Zudem muss die Prävention des
Kindesmissbrauchs verbessert werden. Hier sind Eltern, Schulen,
Kindergärten, Ärzte und Jugendämter ebenso gefordert wie die Gesellschaft
insgesamt. Eine Kultur des Wegschauens darf es nicht geben, sondern jeder,
der Hinweise auf Kindesmissbrauch hat, muss ermutigt werden, dies auch
regelmäßig zur Anzeige zu bringen.


2. Reflexartige Verbotsforderungen sogenannter „Killerspiele“, welche
regelmäßig an Gewicht gewinnen sobald eine durch jugendliche Täter verübte
Gewalttat bekannt wird, erhöhen keinesfalls das Schutzniveau des
Jugendmedienschutzes. Ein wissenschaftlicher Wirkungsnachweis zwischen dem
Spielen von so genannten Killerspielen und den Bluttaten Jugendlicher konnte
bisher nicht belegt werden.

Computerspiele werden von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien
dann indiziert, wenn z.B. Gewaltanwendung gegen Menschen oder menschähnliche
Wesen dominierende Spielhandlung ist, Gewalttaten gegen dieselben deutlich
visualisiert, akustisch untermalt oder ästhetisiert werden, wenn sie zynisch
oder vermeintlich komisch kommentiert oder mit Punktegewinn etc. „belohnt“
werden. Des weiteren werden zum Rassenhass anreizende, die NS-Ideologie und
den Holocaust verherrlichende bzw. leugnende, Menschen diskriminierende und
abwertende sowie den Drogenkonsum verherrlichende und verharmlosende Inhalte
indiziert.

Da bereits § 131 des Strafgesetzbuches die Menschenwürde schützt und
grausame Gewalt gegen Menschen und menschenähnliche Wesen nicht dargestellt
werden darf, bedarf es aus unserer Sicht keiner neuen Verbotsnormen. Da
Computerspiele ohnehin schon zur Alltagskultur gehören, sollte sich die
Gesellschaft eine differenzierte Betrachtung der Genres und Inhalte wie bei
Filmen aneignen. Die Kompetenz dazu sollte  nicht nur unter Kindern und
Jugendlichen verbreitet werden, sondern auch in der Eltern- oder gar
Großelterngeneration.

Der Jugendmedienschutz in Deutschland wird ob seiner Strenge und
Effektivität
weltweit als Vorbild angesehen. Die bestehende Gesetzlage - im Bezug auf
strafrechtliche Verfolgung des Missbrauchs der neuen Medien - ist aus
unserer Sicht ausreichend. Eine totale Regulierung des Marktes ist nicht
durchzuführen, da viele Spiele im Internet gespielt oder heruntergeladen
werden.


3. Das deutsche Waffenrecht ist bereits jetzt eines der strengsten der Welt.
Leider hat auch ein solch strenges Waffenrecht den Amoklauf von Winnenden
oder den Vierfachmord von Eislingen nicht verhindert. Kein Gesetz kann
schützen, wenn Sorgfallspflichten (Verschließung von Waffen und Munition)
nicht beachtet werden.

Über das absurde Verbot von Paintball hinaus wurde von verschiedener Seite
sogar ein Totalverbot privater Schusswaffen gefordert. Die FDP lehnt einen
Generalverdacht und eine Vorverurteilung aller legalen Waffenbesitzer
entschieden ab. Das Beispiel aus Großbritannien, wo 1997 nach einem Amoklauf
eines 43jährigen in Dunblane alle Handfeuerwaffen in Privatbesitz verboten
wurden zeigt, dass damit die Schusswaffenkriminalität nicht nachhaltig
eingedämmt werden konnte. Wer ein generelles Verbot von Waffen in
Privatbesitz fordert, sollte klar sagen: Dann kann es keinen Schützenverein,
keine Sammler historischer Waffen und keinen Jäger mehr geben. Ob diese
Zerstörung des Vereinslebens einen Sicherheitsgewinn bedeutet, das darf wohl
bezweifelt werden.

Der entscheidende waffenrechtliche Ansatz zur Erhöhung der öffentlichen
Sicherheit ist aus Sicht der FDP die Beseitigung der Vollzugsdefizite.
Bisher wird der Antrag auf Waffenbesitzkarte überwiegend anhand
schriftlicher Dokumente geprüft. Wir fordern die Überprüfung der
ordnungsgemäßen Lagerung von Waffen vor Ort – unter Wahrung von Artikel 13
GG (Unverletzlichkeit der Wohnung). Das bedarf einer personell und ggf.
materiell besseren Ausstattung der Polizeibehörden.

Die FDP Fraktion fordert mehr Unterstützung der Exekutivkräfte in ihrem
Kampf gegen das Verbrechen im Internetbereich und intensivere Einbindung der
Schulen, Kindergärten oder Jugendämter in den Jugendschutz und wirksame
Durchsetzung der bestehenden waffenrechtlichen Vorschriften. Besonders im
Bezug auf den Jugendmedienschutz müssen aber vor allem die Eltern ihre Rolle
stärker wahrnehmen, mit ihren Kindern Medien- und Internetinhalte besprechen
und sicheren Umgang ihrer Kinder mit neuen Medien fördern.


Mit freundlichen Grüßen

XXX

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