Montag, 25. Januar 2010

Brief an Kristina Köhler

So! Ich habe ne ganze Weile daran geschrieben, aber mein Brief an die neue Familienministerin, Frau Kristina Köhler, ist endlich fertig und wurde bereits versandt. War es die Arbeit wert? Ich weiß es nicht. Ich habe mal gehört, dass Frau Köhler wert auf direkten Kontakt legt und deshalb keine Portale wie direktzu oder Abgeordnetenwatch nutzen möchte.
Vielleicht wird mein Brief auch schon morgen von einem Lakaien abgefangen und ich bekomme wieder eine Standardantwort. Möglich wärs. Aber wenn die Chance besteht, dass irgendjemand im Familienministerium meinen Text ernst nimmt, dann muss ich es versuchen.

Der folgende Text ist ein Brief an die neue Familienministerin Frau Kristina Köhler betreffend dem Jugendschutz und den neuen Medien.


Sehr geehrte Frau Köhler,

kürzlich habe ich eine aktuelle Stellungnahme des Bundesfamilienministeriums zu dem so oft diskutiertem Thema Videospiele gelesen. Ich möchte nun die Möglichkeit nutzen und dieses Thema ein weiteres Mal aufgreifen, da es hier einen Punkt gibt, der unbedingt genauer unter die Lupe genommen werden muss.

Allen Anschein nach hat inzwischen die leidige Debatte über ein Verbot sogenannter "Killerspiele" ein Ende gefunden, zumindest für die Regierung, auch wenn diverse Vertreter der Medien und Presse die sprichwörtliche Sau weiter durch's Dorf treiben. Trotzdem ist das Thema noch nicht vom Tisch. Wie Sie selbst gesagt haben, muss vor allem die Medienkompetenz von Eltern und Erziehenden gestärkt werden und ich stimme Ihnen hierbei auch zu. Kampagnen wie 'Schau Hin' sind auf jeden Fall ein guter Anfang.

Nun zu meinen eigentlichen Anliegen: Es gibt da einen Punkt im deutschen Jugendschutz, der weniger die Jugend schützt, als erwachsene Bürger bevormundet: Ich rede von der Indizierung von Video- und Computerspielen sowie Filmen durch die BPjM. Ich bin mir sicher Ihnen sind die Details dieses Verfahrens bekannt, möglicherweise aber nicht, wie sehr diese Regelung ihr eigentliches Ziel verfehlt und vor allem erwachsene Spiel- und Filmfans betrifft.
Indizierungen dienen ja bekanntermaßen dazu, Minderjährige vor Material zu schützen welches als "jugendgefährdend" eingestuft wird. Aber es stellt sich die Frage, warum solches Material indiziert wird sondern nicht einfach mit dem Hinweise auf 'keine Jugendfreigabe' bzw. 'ab 18' veröffentlicht wird? Die Kennzeichen der USK und FSK sind ja schon seit einer Weile bindend und keine einfachen Empfehlungen mehr wie es früher der Fall war und damit wird die Indizierung doch überflüssig, oder? Diese Gesetze hatten früher vielleicht eine Existenz-Berechtigung als die Kontrollbehörden nur Empfehlungen aussprach, doch diesen Punkt haben wir schon lange hinter uns gelassen. Wenn ein Titel eh nicht für Jugendliche freigegeben ist und auch nicht von Minderjährigen erworben werden darf, warum darf er dann nicht jugendgefährdend sein?
Oft wird Filmen und Videospielen die für Erwachsene hergestellt wurden die "ab18"-Freigabe verweigert, eben aus Gründen der "Jugendgefährdung", und das Produkt muss erst bearbeitet werden um das Kennzeichen zu erhalten. Das ist doch absurd! Es macht doch absolut keinen Sinn, dass Medien bearbeitet werden müssen um überhaupt erst die höchste mögliche Freigabe zu erhalten.
In seiner aktuellen Form, scheint mir dieses Gesetz eher ein Zugeständnis dafür zu sein, dass der Jugendschutz in Deutschland nicht funktioniert! Geht man etwa davon aus, dass Minderjährige früher oder später sowieso an die 18er Titel gelangen, dass sichergestellt werden muss, dass sie nicht "jugendgefährdend" sind? Ich kann Ihnen aus Erfahrung versichern, dass es beim legalen Erwerb eines solchen Produkts mehr als genug Kontrollinstanzen gibt, die verhindern, dass Minderjährige so etwas käuflich erwerben. Im Einzelhandel gibt es ausfürhliche Ausweiskontrollen bei jedem Kunden der so einen Titel kaufen möchte und Online-Versand funktioniert heutzutage selten ohne Kreditkarte.

Das gesamte Konzept der Indizierung von Medien hat in unserer heutigen Informationsgesellschaft keinen Platz mehr. Es gibt keinen Grund warum eine "ab 18" Freigabe aus Jugendschutzgründen verweigert werden sollte, da solche Medien sowieso nichts in den Händen Minderjähriger zu suchen haben. Diese Regelungen sind veraltet und gehören abgeschafft! Im folgenden Text möchte ich Ihnen mehrere Punkte auflisten um meine Position zu unterstreichen:


1. Ich mir der Details im Strafgesetz zu diesem Thema durchaus bewusst. Aber die Gesetze bezüglich "Gewaltverherrlichung" haben bisher nur sehr wenige "Opfer" gefordert. In den letzten 20 Jahren wurde gerade mal ein Duzend Videospiele aufgrund der (äußerst schwammigen) Formulierung des Artikels §131 im StGB beschlagnahmt. Das größte Problem ist die aktuell existierende Grauzone zwischen 'keine Jugendfreigabe' und einem Verbot: All die Spiele auf dem Index.
Ich möchte hier noch hinzufügen, dass ich den §131 in seiner aktuellen Form ebenfalls nicht befürworte, aber dies fällt ja nicht mehr in Ihren Aufgabenbereich, deswegen belasse ich es bei dieser Aussage.

2. Selbst wenn dem Jugendschutz 100% Folge geleistet wird, gibt es für erwachsene Spieler Wege solche Ware im Handel zu bekommen. Aber nur sehr selten. In dem vom großen Ketten domiertem Markt, gibt es nur sehr wenige Händler die aus verschiedenen Gründen keine indzierten Titel anbieten. Die einzige Möglichkeit die ihnen bleibt, ein seperierter Bereich in dem Ware zu finden ist, zu dem Minderjährige keinen Zugang haben, ist für die meisten Anbieter schlicht nicht rentabel.
Aber selbst wenn Möglichkeiten gefunden werden, indizierte Titel zu erwerben, ist dies nur möglich für Spiele die auch direkt im Laden verkauft werden. Der digitale Vertrieb von Software über das Internet, ganze Spiele oder auch nur Erweiterungen (sogenannter DLC), hat in den letzten Jahren immer mehr Bedeutung gewonnen. Doch auch hier ziehen deutsche Spieler meist den Kürzeren, da auf den Verkaufsplatformen für Deutschland viele Dinge oft gar nicht erhältlich sind und wenn, dann nur in veränderter Form. Es gab auch schon Fälle, in denen ausländische Versionen von PC-Spielen nicht online aktiviert werden konnten (eine inzwischen häufig verwendete Maßnahme zum Kopierschutz). So wird volljährigen Spielern in Deutschland Material vorenthalten, zu dem sie auf legalem Wege keinen Zugang bekommen können.
Dies geschiet alles nur als Reaktion auf die strengen deutschen Jugendschutzgesetze, aber letztlich sind es die erwachsenen Konsumenten die darunter leiden.

3. Auch das Werbeverbot, welches mit der Indizierung einhergeht, ist in Zeiten des Internets sinnlos geworden. Wenn ein frei erhältliches Print-Magazin nicht mehr über ein Spiel oder einen Film berichten darf, weil dieser indiziert ist, dann informieren sich geneigte Konsumenten über das Internet. Jugendliche sind nicht dumm. Sie wissen wie man sich über alles mögliche informieren kann. Das Werbeverbot ist ein veralteter Paragraph, den heutigen Gegebenheiten völlig unangemessen.
Auch hier ist die beste Lösung die Stärkung der Medienkompetenz der Erziehungsberechtigten, denn es gibt viele Möglichkeiten den Konsum solcher Medien zu überwachen, sofern man ein wenig mit der Materie vertraut ist. Spielekonsolen und Computer haben leicht zugängliche Funktionen zum Überwachen und Kontrollieren des Spiele-Konsums, diese müssen nur richtig genutzt werden. Im Moment geht der Jugendschutz im Bereich Medien noch größtenteils vom Staat aus, aber das darf so nicht weitergehen.

4.Ebenfalls im Bezug auf das Werbeverbot: Ich finde es äußerst irritierend, dass dieses Verbot für erwachsene Medien besteht, aber nicht für andere Produkte welche nicht für Minderjährige geeignet sind, wie z.B. Alkohol. Ich möchte damit nicht etwa eine Verschärfung des Werbe- und Verkaufverbots für andere Produkte andeuten, sondern stelle weiterhin nur den Sinn der Indizierung in Frage. Mir erscheint es generell eher so, als ob der Fokus beim Jugendschutz sich zu sehr auf die Medien konzentriert und von Vielen verteufelt wird während man bei bestimmten Konsumprodukten davon ausgeht, dass es kein Problem für Erziehungsberechtigte sei, diese von ihren Schützlingen fernzuhalten. Um eine unter Leuten wie mir verwendete Analogie aufzugreifen: "Wenn ein Jugendlicher nach Hause kommt, sich in sein Zimmer setzt und anfängt Bier zu trinken, dann verlangt niemand nach einem Alkoholverbot". Es ist die Sache selbst, die die falschen Reaktionen hervor ruft.

5. Spiele-Entwickler und Film-Produzenten gleichermaßen müssen für Erwachsene konzipierte und geschaffene Medien bearbeiten, damit sie überhaupt normal veröffentlicht werden dürfen bzw. die Freigabe der staatlichen Behörden erhalten. Eine Indizierung gleicht einem wirtschaftlichen Sargnagel für so ein Produkt und dies möchten die Vertreiber natürlich vermeiden. Das trift eventuell nicht die direkte Definition des Wortes, aber viele Leute die so denken wie ich empfinden dies als eine vom Staat ausgehende Zensur. Das darf nicht sein.


An diesem Punkt möchte ich noch einmal auf das Thema Aufklärung zu sprechen kommen: Wie bereits gesagt ist ein Portal wie 'Schau Hin' ein guter Anfang. Damit der Jugendschutz zu Hause gewährleistet ist und so nicht vom Staat ausgehen muss, bedarf es größere Medienkompetenzen bei allen Beteiligten. Die meisten Computer und Videospielgeräte verfügen heutzutage nicht nur über eingebaute Kindersicherungen zur Regulierung des Zeitrahmens in dem gespielt werden kann und was für Spiele erlaubt sind, sondern auch Möglichkeiten den bisherigen Spielverlauf zu verfolgen. Diese Möglichkeiten können genutzt werden, aber dazu müssen sie erst wahr genommen werden.
Aber auch die Jugendlichen selbst müssen aufgeklärt werden! Ein simples Verbot macht es nur attraktiver, vor allem weil es immer wieder Wege gibt, an indiziertes oder beschlagnahmtes Material zu gelangen.

Es geht mir hier um Gleichstellung. In der westlichen Welt gibt es kaum ein Land mit so übertriebenen Bestimmungen wie bei uns. Die Frage ist: Warum? Kann man deutschen Erwachsenen und Jugendlichen weniger zumuten als welchen in Frankreich, England oder der Schweiz? Ist es wirklich notwendig, dass wir als einziges Land der EU so streng mit den neuen Medien umgehen? Müssen volljährige Spieler dafür leiden, dass Erziehungsberechtigte nicht mehr darauf achten, was ihre Kinder konsumieren? Warum wird nur so mit Spielen und Filmen umgegangen, aber harte alkoholische Getränke dürfen im Supermarkt im Regal stehen?

Mir ist bewusst, dass es nicht ganz so einfach ist wie ich es hier darstelle, aber dennoch muss es doch eine besser Lösung hierfür geben! Deutschland ist das letzte Land Europas in dem die neuen Medien noch so stiefmütterlich behandelt werden. Aber so eine Veränderung muss irgendwo anfangen und ich hoffe inständigst, dass Sie, Frau Köhler, hierzu beitragen können. Viele volljährige Film- und Spiele-Fans wie ich sind mit der aktuellen Situation mehr als unzufrieden, aber wir sind leider nicht in der Position diese zu verändern.
Ich bin nicht gegen Jugendschutz, im Gegenteil, ich halte ihn für eine wichtige Institution in unserer Gesellschaft. Aber es gibt Mittel und Wege wie Minderjährige vor für sie ungeeigneteten Inhalten beschützt werden können, ohne, dass Erwachsene in der jetzigen Form vom Staat bevormundet werden. Alles fängt an und hört auf bei mehr Aufklärung. Zensur hat noch nie jemandem geholfen.
Ich bitte Sie hiermit die aktuelle Gesetzeslage einmal genau unter die Lupe zu nehmen und die nötigen Änderungen herbeizuführen. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.


Hochachtungsvoll,
Konrad Huber




P.S. ich hab jetzt Twitter. Aber ich denke nicht, dass ich da viel schreiben werde was mit meiner Arbeit hier zu tun hat. Eher persönlichen Kram. Dürft mir natürlich trotzdem gerne folgen wenn ihr möchtet. Im Moment nutze ich es hauptsächlich um Bioware auf dieNerven zu fallen. Ich möchte Mass Effect 2 auf keinen Fall auf deutsch spielen.

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