Dienstag, 28. April 2009

Brief an Heribert Rech

Heribert Rech ist der Innenminister von Baden-Würtemberg und...Überraschung....bei der CDU.
Nachdem er kürzlich im Nachtcafé sich der Forderung nach mehr Verboten anschloss, hab ich kurzer Hand beschlossen ihm eine E-Mail zu schicken.


Sehr geehrter Herr Rech,

mein Name ist Konrad Huber, ich bin Student aus Freiburg und habe ein wichtiges Anliegen an Sie. Es geht um die Debatte um „gewalthaltige“ PC- und Videospiele und wie die Politiker dieses Landes damit umgehen.

Letzte Woche sagten sie in der SWR-Talkshow „Nachtcafé“: "Beim Medienangebot ist der Staat gefordert - und da müssen wir mit Verboten ganz klare Kante zeigen", sowie "Die Medienkompetenz vieler Eltern ist gleich null.".

Nun, in einem Punkt kann ich Ihnen auf jeden Fall zustimmen. Es fehlt vielen deutschen Eltern sicherlich an Medienkompetenz. Nur in dem Eltern sich ausführlicher mit den neuen Medien beschäftigen, kann auch gewährleistet werden, dass deren Kinder auch nur die Dinge zu Gesicht bekommen die für sie geeignet sind.


Weswegen ich Ihnen aber eigentlich schreibe ist, dass Sie im Nachtcafé neue Verbote forderten und dies ist ein Punkt in dem ich Ihnen massiv widersprechen muss.

Herr Rech, ich bin jetzt 21 Jahre alt und leidenschaftlicher Videospieler. Ich spiele viele verschiedene Spiele, darunter auch solche, die aufgrund ihres Inhalts in den letzten Wochen wieder stark in der Kritik stehen. Ich sehe absichtlich davon ab, den von Medien und Politikern so gern benutzten Term zu verwenden, mit dem diese Spiele so oft beschrieben werden. Das K-Wort, wie ich es nenne, ist nämlich nichts weiter als purer Populismus, der einzig dazu dient, Spieler solcher Titel zu diffamieren und falsche Tatsachen über deren Persönlichkeit zu suggerieren.


Tatsache ist, dass es viele Spiele auf dem Markt gibt, die von vornherein nicht für Kinder und Jugendliche gedacht sind sondern für Erwachsene. Natürlich gibt es immer wieder Jugendliche die trotzdem an solche Titel kommen, aber dies zu verhindern fällt sicher nicht in den Aufgabenbereich des Staates sondern in den der Erziehungsberechtigen. In Deutschland herrschen jetzt schon bereits Gesetze die zwar in der Theorie dem Jugendschutz dienen sollen, letztlich aber nur die Freiheiten erwachsener Bürger beschneiden. Und nun wird öffentlich über neue Verbote diskutiert, die die bereits extremen Verhältnisse in der BRD noch mehr verschärfen würden.


Das größte Problem bei der ganzen Debatte ist, dass die Menschen die am lautesten nach diesen Verboten rufen, seien es nun Politiker, Journalisten oder Psychologen, am wenigsten mit der Materie vertraut sind. Haben Sie denn schon einmal einen Ego-Shooter gespielt Herr Rech? Wissen Sie denn, warum es in Deutschland Millionen Bürger zwischen 10 und 40-jährigen so viel Spaß macht am Computer an den verschiedensten virtuellen Konflikten teilzunehmen? Und vor allem, denken Sie wirklich, dass man ein interaktives Medium wie PC- und Videospiele nur durch betrachten wirklich effektiv beurteilen, im schlimmsten Fall sogar verurteilen kann?


Denn all dies geschieht immer wieder in Deutschland. Im Fernsehen, in der Presse, von Politikern oder Journalisten werden Spiele und Spieler gleichermaßen an den Pranger gestellt. Ihr Kollege Joachim Hermann, Innenminister von Bayern, setzte das spielen solcher Titel erst kürzlich auf eine Stufe mit dem Konsum von Kinderpornographie. Nachrichtenmagazine wie der Heute-Journal werfen Spielern Sadismus und den Spielen Militarisierung der Gesellschaft vor. Und zwischen all diesen Vorwürfen und Anschuldigungen finden sich erwachsene und junge Spieler gleichermaßen wieder und fragen sich was sie eigentlich falsch gemacht haben. So wie sich die Berichterstattung zurzeit entwickelt, fühlt man sich als Spieler wie ein Ausgestoßener, es erinnert alles an ein wenig an eine mittelalterliche Hexenjagd.


Wir verstehen alle den Aufruhr gar nicht! Kein Spieler der bei klarem Verstand ist, denkt beim Spielen daran, dass auf dem Bildschirm dort Menschen erschossen werden, denn ist doch nur ein Spiel. Pixel und Polygone „sterben“ nicht und sie haben auch keine Menschenwürde die man verletzen könnte, es ist schließlich alles nur virtuell. Kein Spieler kann nachvollziehen wie manche Leute vom „töten am Bildschirm“ reden können. Es scheint fast, als wären es die Kritiker, und nicht die Spieler, die Probleme damit haben, das virtuelle Geschehen am Bildschirm von der Realität zu unterscheiden und als wären es gerade diese Personen, denen es an Medienkompetenz mangelt-


Wenn man wirklich „brutale“ Spiele wie etwa „Counter-Strike“, „Far Cry“ oder „Mortal Kombat“ als den Auslöser für Jugendgewalt sieht, dann säße ganz Deutschland auf einem Pulverfass, Millionen von potentiellen Amokläufern überall in der BRD.

Tatsache ist, dass Forschungen zu diesem Thema sehr umstritten und eher fragwürdige Ergebnisse vorweisen. Als jemand der in seiner Freizeit des öfteren Ego-Shooter und andere Action-Spiele spielt, kann ich mir nicht vorstellen unter „Empathie-Verlust“ zu leiden. Ich bin ein friedlicher Mensch, nicht gewalttätig oder ähnliches und habe aus moralischen Gründen den Dienst bei der Bundeswehr verweigert und stattdessen meinen Zivildienst in einer Begegnungs-Stätte für ältere Menschen geleistet.


Herr Rech, PC- und Videospiele, egal mit welchem Inhalt, sind ein integraler Bestandteil der Jugend- und Popkultur auf der ganzen Welt geworden. Sie sind ein Medium wie auch Filme, es gibt Fans, es gibt professionelle Kritiker und Journalisten, es gibt eine riesige Gemeinschaft von Spielern verteilt über den ganzen Globus. Es gibt internationale Turniere und Liegen, das Strategiespiel „StarCraft“ ist in Süd-Korea zum Nationalsport geworden.

Inmitten all dieser Ereignisse und Entwicklungen fragen sich Spieler jung und alt in ganz Deutschland wie es weitergehen soll. Aber vor allem, verlieren sie den Glauben an deutsche Politiker und die Demokratie, da Vater Staat lieber weiter Verbote verhängt und Medien zensiert, anstatt sich auf die wirklichen Auslöser von Jugendgewalt und Ereignissen wie den Amoklauf des Tim K. zu konzentrieren.


Hochachtungsvoll,

Konrad Huber,

Student, Spieler und besorgter Wähler



Ob da mal eine Antwort kommt? Keine Ahnung, aber den Versuch isses wert...

6 Kommentare:

  1. Gut geschrieben. So muss man es machen. Ob der Brief denn jemals gelesen wird und wenn, dann von wem, ist erstmal uninteressant. Die Politik bekommt so ihr Feddback und das ist ein negatives. Wenn es sich jetzt noch mit dem Wahlergebnis zur Bundestagswahl deckt, werden sie eventuell zum Umdenken gezwungen. Kleine Schritte, aber wichtig.

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  2. Manchmal könnte man denken, dass man mit dem Parteibuch sämtliche Medienkompetenz abgeben muss...

    Habe letztens im Studium sogar gelehrt bekommen, wie dieser Irrschluss "Böser Inhalt = Böses Nachmachen" in der Medienwissenschaft benannt wird. Mich wundert nur, dass sich keiner der ganzen ECHTEN Medienwissenschaftler mal gegen selbsternannte Pädagogik- und Medienexperten auflehnt... Die Arbeit bleibt dann doch wieder bei ambitionierten Spiel- und Filmfans hängen...

    *Seufz*

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  3. Klasse Konrad, das ist Dein bisher bester Text, denke ich. Wirklich sehr gut geschrieben.

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  4. Hey, keine Real-Life Namen im Blog :D

    Findest du den echt so gut? Danke.

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  5. Sehr guter Text. Dafür kann ich mich nur bedanken und dazu gratulieren. Schon die Fragen an Frau von der Leyen fand ich keineswegs schlecht gestellt, ebensowenig das Engagement bei Stigma und auf dem zensur-forum. Bitte weiter so!

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  6. "Hey, keine Real-Life Namen im Blog :D"

    Alter Scherzkeks ^^

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