Montag, 12. Oktober 2009

FDP

Okay...damit hatte ich nicht gerechnet.

Kurz nach der Bundestagswahl schickte ich einen Brief an die FDP. In Anbetracht ihres Wahlerfolges, dachte ich mir es wäre eine gute Gelegenheit mal anzufragen, was die FDP eigentlich von Indizierung hält und ob das nicht ein Thema wäre, welches mal in den Koalitionsverhandlungen angesprochen werden kann. In den letzten Monaten haben sie des öfteren klar gestellt, dass sie gegen ein [K-Wort]-Verbot sind und da sie so oft damit prahlen, dass sie für Bürgerrechte sind, dachte ich mir, sie könnten sich doch noch ein bisschen mehr für die Rechte deutscher Gamer einsetzen.

Hier die Mail, die ich am 02.10. an die FDP geschickt habe. Nicht wirklich neue Infos für Leute die mit der Materie vertraut sind, aber ich wollte meinen Punkt deutlich machen.

Sehr geehrte Mitglieder der FDP,

lassen Sie mich Ihnen zuerst zu ihrem Erfolg bei der Bundestagswahl gratulieren. Ich hoffe, dass, jetzt wo die Liberalen ihren Platz in der Regierung haben, sie sich einigen Themen zu widmen können, die Leuten wie mir schon länger Sorgen bereiten.


In den letzten Jahren hat sich die FDP offen gegen ein Verbot der sogenannten „Killerspiele“ ausgesprochen; eine Diskussion welche jedes mal aufs neue entfacht wird, wenn ein Amoklauf an einer deutschen Schule stattfindet. Dafür möchte ich ihnen danken, dass ihre Partei nicht in den haltlosen Populismus verfallen ist, für den leider viele Mitglieder ihres Koalitionspartners in Spieler-Kreisen bekannt sind. Ich hoffe, dass Sie sich dieses Level an Integrität auch in der Regierung bewahren können. Gerade jetzt, nachdem bekannt wurde, dass der Täter von Amsdetten kein Spieler war, hatte ich gehofft die Debatte würde endlich ein Ende finden, doch das war anscheinend ein Irrtum.


Doch nun zu meinem eigentlichen Anliegen: Aber auch ohne diese Debatte haben es volljährige Fans von Video- und Computerspielen in Deutschland nicht leicht. Der deutsche Jugendschutz im Bereich der Videospiele, tut eigentlich weniger die Jugend schützen, als erwachsene Spieler konstant zu bevormunden. Einmal davon abgesehen, dass Deutschland eines der letzten Länder Europas ist, welches noch ein eigenes System zur Klassifizierung von Videospielen benötigt, anstatt das europaweit akzeptierte PEGI-System verwendet, ist das größte Problem die Tatsache, dass das offizielle USK-Siegel „ab 18“ nicht das Ende der Skala darstellt. Ein von vornherein für Erwachsene produziertes Spiel, kann „zu hart“ sein, damit ihm die höchste offizielle Freigabe der USK verweigert wird und das im Namen des Jugendschutzes. Und wird eine Freigabe verweigert, dann droht dem Titel die Indizierung auf Grund von „jugendgefährdenden“ Inhalten. Aber warum dürfen Spiele (und auch Filme) die nicht für Jugendliche freigegeben sind, denn bitte nicht „jugendgefährdend“ sein? Ist das nicht letztlich ein Eingeständnis, dass der Jugendschutz in seiner aktuellen Form nicht funktioniert? Ich habe mich mit diese Frage bereits mehrmals an das Bundesfamilienministerium gerichtet, aber sie wurde bisher jedes mal ignoriert.


Dies ist aber noch nicht alles. Um dem Schicksal der Indizierung und den damit verbunden wirtschaftlichen Konsequenzen, wie z.B. dem Werbeverbot, zu umgehen, passen Entwickler ihre Spiele oft extra für den deutschen Markt an. Nicht etwa um, wie oft fälschlicherweise behauptet, ein jüngeres Publikum zu erreichen, sondern um ÜBERHAUPT erst ein Publikum zu erreichen.

Und auch wenn das nicht exakt die genaue Definition des Begriffes trifft, viele Mitglieder der deutschen Gamer-Community empfinden dies als staatlich erzwungene (Selbst-)Zensur.


Auch der finanzielle Aspekt muss dringend berücksichtigt werden. Ein Entwickler hat entweder die Wahl, ein Spiel, welches der USK „zu hart“ war unzensiert zu veröffentlichen und damit die Indizierung und somit ein komplettes Werbeverbot zu riskieren.

Oder, er produziert eine geschnittene Fassung, extra für den deutschen Markt. Dies führt aber häufig dazu, dass viele Spieler sich den Titel aus dem Ausland importieren, da sie kein Geld für eine gekürzte Fassung bezahlen wollen, was wiederum deutschen Händlern schadet.

Denn indizierte Titel sind nur sehr schwer im deutschen Handel zu bekommen. Viele große Ketten wie Saturn oder GameStop führen aus verschiedenen Gründen überhaupt keine indizierte Ware, auch nicht „unter der Ladentheke“, aber letztlich alle als Resultat der strengen Gesetze in Deutschland.


Ein weiterer Punkt ist der immer wichtiger werdende digitale Vertrieb von Software über Online-Dienste wie z.B. Steam, oder Xbox-Live. Während Spiele auf Datenträgern aus dem Ausland bestellt werden können, gibt es keinen legalen Weg für deutsche Spieler an downloadbare Zusatzinhalte oder komplett digital vertriebene Spiele zu gelangen. Somit werden deutschen Spielern Inhalte vorenthalten, die dem Rest Europas frei zugänglich sind.

Anbieter in Deutschland sind auch bei diesem Thema sehr zurückhaltend, da es letztlich um eine Freigabe über „ab 18“ geht, und eine Gesetzeslage voller juristischer Minenfelder.


Das Werbeverbot welches mit der Indizierung einhergeht ist auch ein Angriff auf die Pressefreiheit. Die Fachpresse in Deutschland darf nicht über einen indizierten Titel berichten, ja ihn noch nicht einmal beim Namen nennen! Und es hört bei der gedruckten Presse nicht auf. Auch Online-Magazine müssen sich davor in acht nehmen oder die ganze Website wird indiziert, immer noch zugänglich, aber von Deutschland aus nicht mehr in Suchmaschinen zu finden. So etwas ist ein schwerer Schlag für eine seriöse Online-Publikation.

Produkte für Erwachsene, wie z.B. Alkohol, unterstehen auch keinem Bann des Staates. Warum dann Unterhaltungsmedien?


Dies Alles kommt zusammen, wenn man das System der Indizierung genauer unter die Lupe nimmt. Erwachsenen wird der Zugang zu Material massivst erschwert, welches für Jugendliche von vornherein nicht erhältlich sein dürfte. Ein gesamter Industriezweig wird in Deutschland unterdrückt, einige Entwickler drohten schon mit Auswanderung, sollten sich die Umstände nicht ändern. Dies darf so nicht weitergehen!

Jugendschutz ist vor allem Sache der Eltern, und der Staat hat sich nicht in die Freizeitgestaltung der erwachsenen Bürger einzumischen solange hierbei niemand unfreiwillig zu Schaden kommt.


Letztlich noch ein Punkt, der nicht direkt mit dem Jugendschutz zusammenhängt. Der §131 des SGB, der sich auf „gewaltverherrlichende“ Medien bezieht, ist ebenfalls eher ein Fall von „Geschmackszensur“des Gesetzgebers, da die dort verwendeten Begriffe bestenfalls schwammig sind und nach Belieben verwendet werden können, obwohl auch hier eine simple „nur für Erwachsene“ Kennzeichnung völlig ausreichen sollte. Spiele sind generell eh nur sehr selten von diesem Artikel betroffen, aber trotzdem handelt es sich hier um Maßnahmen die letztlich nur in die Freizeitgestaltung erwachsener Bürger eingreift.


Die meisten Dinge die ich jetzt angesprochen haben betreffen zwar Videospiele, aber die Filmindustrie wird von den selben Problemen geplagt. Filme müssen oft für den deutschen Markt gekürzt werden um überhaupt erst das „ab 18“ Siegel zu erhalten und man kommt nur schwer an indizierte Ware. Und auch hier wird der Markt für Online-Vertrieb immer größer, womit deutsche Zuschauer erneut den Kürzeren ziehen.


Deutschland braucht einen modernen Jugendschutz, der sich an den multimedialen Umständen des Internetzeitalters orientiert, ohne eine gesellschaftliche Vorzensur oder staatliche Nachzensur zu Lasten von Erwachsenen schaffen. Das entscheidende Stichwort beim Jugendschutz lautet nämlich Medienkompetenz. Die Verantwortung für Kinder liegt bei den Erziehungsberechtigten und es gibt mehr als genug Mittel und Wege um Minderjährige vor für sie ungeeignete Inhalte zu schützen, sie müssen nur genutzt werden.

Ich hoffe, dass Ihre Partei hierzu einen entscheidenden Beitrag leisten kann und in den Koalitionsverhandlungen mit der Union sich nicht nur gegen ein Verbot von PC- und Videospielen einsetzen, sondern auch für mehr Freiheit für die neuen Medien und ein Ende der Indizierung in Deutschland.


Hochachtungsvoll,

Konrad Huber


Tja, und die Antwort....naja. Also ich hab ja schon so einiges an merkwürdigen Politikerbriefen gelesen. Und ich bin es gewohnt vorgefertigte Briefe zu erhalten. Aber normalerweise bekomme ich zumindest nen Standardtext zu dem Thema was ich in meinem Brief angesprochen habe.

Sehr geehrter Herr Huber,

haben Sie vielen Dank für Ihre E-Mail vom 2. Oktober 2009.

Die FDP orientiert sich bei den Koalitionsverhandlungen an den Vorgaben des Deutschlandprogramms (www.deutschlandprogramm.de) und unseres am 20. September 2009 einstimmig beschlossenen Wahlaufrufes. Diesen können Sie hier einsehen:
http://www.fdp-bundespartei.de/files/363/fdp-wahlaufruf.pdf


Die FDP ist Forum für eine offene Diskussion. Gerne werden wir daher Ihre Gedanken in unsere künftigen Überlegungen einfließen lassen. Sie können die Entscheidungsprozesse in der FDP am besten als Mitglied beeinflussen. In der FDP gibt es zahlreiche Möglichkeiten des Engagements. Zum einen besteht die Möglichkeit, an der Basis, also im Ortsverband mitzuarbeiten. Auf jährlich stattfindenden Hauptversammlungen werden dort auch der Ortsvorstand und Delegierte für Bezirks- und Landesgremien gewählt. Weiterhin besteht in den Landesfachausschüssen die Möglichkeit, bestimmte politische Themenfelder zu diskutieren und auch entsprechende Anträge für Parteitage zu beschließen. Eine Skizze über den prinzipiellen Aufbau der FDP finden Sie hier: http://www.fdp-bundesverband.de/pdf/aufbau_partei.pdf.

Einen Antrag auf Mitgliedschaft in der FDP können Sie im Internet auf der Seite
http://www.fdp-bundespartei.de/webcom/show_article.php?wc_c=371&wc_lkm=749
abrufen.

Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir die Koalitionsverhandlungen zu einem positiven Ergebnis bringen werden. Dieses soll eine deutliche steuerliche Entlastung für die Bürgerinnen und Bürger, einen Impuls für Wirtschaftswachstum, verstärkte Bildungsanstrengungen, Respekt vor der Verfassung und den Bürgerrechten sowie eine werteorientierte Außenpolitik zum Ausdruck bringen.

Mit freundlichen Grüßen


XXX
FDP Mitmachzentrum

PS: Deutschland kann es besser. Stärken Sie uns, damit wir Sie stärken können. Mehr unter www.mitmachen.fdp.de


Oder anders gesagt: "Wir interessieren uns nur für unsere Parteimitglieder."

10 Kommentare:

  1. Ja, das macht die Sache natürlich noch einfacher, einfach diese Mail an alle schicken, die irgendetwas fragen oder fordern. Dann spart man sich auch die Auswahl, welcher vorgefertigte Text besser zu dem Thema passt xD

    Ehrlich gesagt, finde ich, dass den Parteien ziemlich egal ist, was sie für E-Mails bekommen, die meisten finden das Internet sowieso "böse" und denken, nur Pädokriminelle könnten Sperren umgehen. Und "FDP Mitmachzentrum" erinnert mich irgendwie an 9live - Mitmachfernsehen. :)

    AntwortenLöschen
  2. Erstmal: alle Achtung, was hier aus deinem Blog geworden ist ;)

    Und dass du von diesen Spinnern keine vernünftige Antwort bekommst, war ja im vornherein klar. Aber dann noch sowas... tststs.
    Die haben es nötig.

    AntwortenLöschen
  3. Bevor hier zu sehr FDP gebasht wird: Ich hatte auch erst vor kurzem beim Thema Sicherheitspolitik nach deren Standpunkte, insbesondere bei der Ausrichtung zur CDU gefragt - und war echt überrascht: Ich bekam mal keine Standardmail, sondern es wurden gezielt meine Fragen beantwortet.

    Nichtsdestotrotz ist die obige Antwortmail natürlich sehr peinlich. Hoffe Du hakst da mal nach was das sollte.

    AntwortenLöschen
  4. Bisher hat ein zweites mal nachfragen nie etwas bewirkt, aber schaden wird's wohl kaum.

    AntwortenLöschen
  5. Ich zitiere hier mal netzpolizik.org aus dem Gedächtnis:
    "Schickt keine Mails, sondern ein Fax ... oder noch besser: einen Brief. Das ist zwar altmodisch, aber die meisten Politiker sind altmodische Menschen und Faxe und Briefe werden eher gelesen als Mails. Und es kommt wohl eher eine vernünftige Antwort zurück."
    Vielleicht hättest du mit sowas mehr Chancen gehabt. ;)

    AntwortenLöschen
  6. Hallo Leute,
    vielleicht könnt ihr euch vorstellen, dass die FDP jeden Tag viele hundert (!) E-Mails bekommt. Im "FDP Mitmachzentrum" sitzen ehrenamtliche Helfer oder Praktikanten, die diese Anfragen beantworten. Hier darf niemand Expertenkenntnisse erwarten. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass die FDP die einzige Partei ist, die sich überhaupt die Mühe macht, einen Stab von Helfern mit der Beantwortung von Anfragen zu betrauen. Bei den anderen Parteien sieht's wesentlich schlimmer aus!

    AntwortenLöschen
  7. @die beiden anonymen Poster:

    Selbst die Fortschrittfeindlichsten Politiker werden ihre Briefe inzwischen auch digital verfassen und nicht auf der Schreibmaschine. Wir haben 2009 und da kann ich wohl erwarten, dass e-Mails als die vorherrschende Kommunikationsform aktzeptiert und benutzt werden.

    Außerdem habe ich auch schon per Post vorgefertigte Standardbriefe bekommen. Der Petitionsausschuss kommuniziert nur über diesen Weg. Da muss ich die Sachen halt am Ende einscannen, was unnötig umständlich ist.


    Und ich hab mich über die selbe Email Adresse an die FDP gewandt wie neulich kurz vor der Bundestagswahl und da hab ich ne ordentliche Antwort bekommen.
    Das Mitmachzentrum interessiert mich nicht, ich bin bereits Mitglied der Piratenpartei. Ich will eine offizielle Antwort auf mein Anliegen. Die hätten sagen können "wir denken darüber nach", oder "wir stehen hinter dem deutschen Jugendschutz in seiner jetzigen Form", oder irgendwas. Aber nicht, "werden sie doch mitgleid und schlagen es selbst vor" :P

    AntwortenLöschen
  8. Erst einmal vielen Dank für deine Mühe. Der Brief spricht sicher nicht nur mir aus dem Herzen und gibt unsere Probleme sehr klar und deutlich wieder. Dass du eine derart unwürdige Antwort erhalten hast, überrascht mich aber nicht. Das ist halt die FDP! Im Wahlkampf sagen sie das eine, machen hinterher etwas ganz anderes.
    Aber - und das erscheint mir wichtiger als eine vernünftige Antwort - du hast die Meinung sehr vieler Gamer in deinem Blog wiedergegeben, hier, wo jeder sie lesen kann. Wenn sie dir schon nicht antworten, dann können sie jetzt zumindest nachlesen, was die Szene über die FDP und ihre vollmundigen Wahlversprechen denkt. Vielleicht gibt das dem ein oder anderen zu denken und beeinflusst ihn beim nächsten Urnengang.
    Gute Arbeit, Green Ninja!

    AntwortenLöschen
  9. Hab ihnen meine Blogadresse jetzt nicht nachgereicht. :)
    Aber das ist ja das schöne am Internet.

    AntwortenLöschen
  10. Hi Ninja,

    gut geschriebener Brief der sachlich "unser Problem" darlegt. Auch mir hast Du (mal wieder) aus der Seele gesprochen.
    Wenn nur mal mehr Leute bei dem Thema aufwachen würden und auch in den Medien Interesse dafür da wäre. Aber grad auch die Hersteller (Film und Spiele) sind meiner Meinung da immer noch zu duckmäuserisch unterwegs, als ob sie sich für was Unmoralisches schämen müssten. Andere Wirtschaftszweige habens besser drauf massiv politische Lobbyarbeit zu betreiben... "unsere" Firmen leider nicht.
    Und die Antwort von der FDP ist leider heisse Luft, wie soviel an dieser Partei... siehe auch den "Erfolgen" die sie bei den Kooalitionsverhandlungen in den Bereichen Innere Politik und Sicherheit erreicht haben.

    Gruss
    Chris

    AntwortenLöschen